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81 % der Bulgaren sind überzeugt, dass das Parlament nur parteitreue Abgeordnete in wichtige Regulierungsbehörden wählt

Foto: BGNES

Die Parlamentskrise in Bulgarien hat die Verfahren zur Wahl der Leiter der wichtigsten Regulierungsbehörden wie der Energie- und Wasserregulierungskommission, des Verfassungsgerichts und andere monatelang verzögert. Nach der Bildung einer Regierungsmehrheit, die eine Regierung wählte, hat das 51. Parlament nun damit begonnen, die Leiter der Aufsichtsbehörden zu ernennen. In nur einer Woche fanden wichtige Wahlen statt - des Vorsitzenden des Nationalen Krankenversicherungsfonds und eines Untergouverneurs der Bulgarischen Nationalbank. Erneuert wurde auch die Regulierungsbehörde für Energie und Wasser mit von den Parteien der Regierungskoalition nominierten Vertretern. 

Teodor Slawew
„Die Ernennungen ersetzen den normalen Gesetzgebungsprozess. Priorität im Parlament hat derzeit nur die personelle Besetzung. Die Zuteilung der Quoten der Parteien für die Regulierungsbehörden ist realisiert, die Sitze wurden bereits vereinbart und zugeteilt“, sagte Teodor Slawew vom bulgarischen Institut für Rechtsinitiativen in einem Interview für das BNR-Programm „Horizont“. 
Die Bulgaren sind der Ansicht, dass die Auswahl von Einzel- und Kollektivorganen durch das Parlament negativ ist, geht aus einer Umfrage hervor, die zwischen dem 17. und 25. März von Global Metrics im Auftrag des Instituts für Rechtsinitiativen durchgeführt wurde.

„82 % der Bulgaren glauben, dass für die wichtigen Gremien nur Personen, die den politischen Parteien nahestehende Personen, gewählt werden, und 77 % glauben, dass Personen ernannt werden, die vor allem den Interessen dieser politischen Parteien dienen. In diesem Sinne werden es keine unabhängigen Personen sein. Diese Negativauslese, die das Parlament vornimmt, folgt der Negativauslese, die die Parteien vornehmen, wenn sie ihre Kandidaten für die verschiedenen Behörden - für das Parlament und für die lokalen Behörden - aufstellen. In diesem Sinne suchen sie nach Leuten, die loyal sind. Das ist das Hauptmerkmal bei der Auswahl.“

Bulgarische Nationalbank
Es ist wichtig, dass es in Bulgarien unabhängige und professionelle öffentliche Einrichtungen und Verwaltungen gibt. 90 % der Befragten gaben an, dass die Zivilgesellschaft in irgendeiner Form am Verfahren zur Wahl der Behörden durch NGO teilnehmen sollte. Parteien sollten aber begreifen, dass die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden auch in ihrem Interesse ist, behauptet Teodor Slawew, denn nur dann wäre ein faires Spiel gewährleistet. 
Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, nach welchen Kriterien Personen für wichtige Positionen ausgewählt werden und inwieweit Sachkenntnis und Berufserfahrung oder Parteiloyalität ausschlaggebend sind. In diesem Zusammenhang ist auch die Ankündigung zu sehen, dass die Europäische Staatsanwaltschaft eine Verwaltungsuntersuchung wegen möglichen Fehlverhaltens der bulgarischen europäischen Staatsanwältin Teodora Georgiewa eingeleitet hat. Die Ankündigung erfolgte, nachdem in diesem Monat Aufnahmen im Internet aufgetaucht sind mit einem Gespräch zwischen Georgiewa und einem ehemaligen Ermittler namens Pepi Ewroto vom Januar 2020, der als Lobbyist für die Justiz bekannt und derzeit untergetaucht ist. Den Behauptungen in den Videos zufolge soll Pepi Ewroto an einem Plan zur Ausschaltung von Konkurrenten von Teodora Georgiewa im Auswahlverfahren für die europäische Staatsanwaltschaft beteiligt gewesen sein. Die Europäische Staatsanwaltschaft äußerte sich nicht direkt zum Inhalt der Videos, betonte aber, dass die Unabhängigkeit jedes Staatsanwalts in ihrem System „für den Auftrag der Institution wesentlich“ sei. 

Teodora Georgiewa
Der Vertreter des bulgarischen Instituts für Rechtsinitiativen Teodor Slawew kommentierte für den BNR, dass die Angriffe gegen die bulgarische europäische Staatsanwältin Teodora Georgiewa nach einer vom bulgarischen Institut für Rechtsinitiativen organisierten Veranstaltung erfolgte und konkret nach einem Interview, das sie der Zeitung "Kapital" gab. Darin wies sie auf spezifische Probleme hin, wie beispielsweise dass Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft in Bulgarien von bulgarischen Institutionen behindert werden. Sie sagte in Klartext, dass politischer Druck dahintersteckt. 
„Es ist bemerkenswert, dass diese Einrichtung (die Europäische Staatsanwaltschaft - Anm. d. Red.) es schafft, eine Gelegenheit zu finden, sich selbst zu überprüfen und möglicherweise zu bereinigen - etwas, wozu der bulgarische Oberste Justizrat nicht in der Lage ist. Die gleiche Messlatte sollte aber auch hier gelten“, forderte Teodor Slawew und fügte hinzu, dass es die Europäische Staatsanwaltschaft sehr schwer haben wird, ihre Ermittlungen durchzuführen, ohne sich auf die bulgarischen Institutionen zu stützen, die es verstehen, die Realität anders darzustellen.
"Die bulgarische Gesellschaft sollte von den Institutionen verlangen, dass sie ihre Pflichten erledigen. Die Zeit der zivilgesellschaftlichen Organisationen ist noch nicht vorbei",  ist der Analyst überzeugt. Die Gesellschaft erkennt die Legitimität der zivilgesellschaftlichen Organisationen an, weil das Vertrauen in Institutionen wie Regierung, Parlament, Wirtschaft und Medien dramatisch abnimmt, unterstreicht Teodor Slawew vom bulgarischen Institut für Rechtsinitiativen in einem Interview für Silwia Welikowa vom BNR-Programm Horizont. 


Übersetzung: Georgetta Janewa



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