Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2025 Alle Rechte vorbehalten

Vor 840 Jahren stellten die Zaren Petar und Assen den bulgarischen Staat wieder her

"Der Aufstand von Assen und Petar", Künstler Wassil Goranow
Foto: Facebook / Vasil Goranov

Im Jahr 1018 wurde das Erste Bulgarische Reich nach einem halben Jahrhundert des Widerstands von Byzanz erobert. Trotz zahlreicher Aufstände der Bulgaren dauerte die Herrschaft Konstantinopels fast zwei Jahrhunderte an. Im Herbst 1185 oder Anfang 1186 erhoben sich in Tarnowgrad die lokalen Adligen Petar und Assen. Drei Jahre später endete ihr Aufstand mit der Wiederherstellung der bulgarischen Staatlichkeit.

Zarewez- und Trapesiza-Hügel in Weliko Tarnowo. Wissenschaftler vermuten, dass Trapesiza ein Stammgebiet der Assenewzi war.

„Rund um den Aufstand von Petar und Assen gibt es viele rätselhafte Momente, von denen einige in der Geschichtsschreibung weit verbreitet sind“, erklärte gegenüber dem Bulgarischen Nationalen Rundfunk Professor Plamen Pawlow von der Universität „Hl. Kyrill und Method“ in Weliko Tarnowo. „Einer dieser Mythen ist, dass der Aufstand am Tag des Heiligen Demetrius (26. Oktober) begann. Das ist praktisch unmöglich, da sich die beiden im Oktober im Lager des byzantinischen Kaisers Isaak II. Angelos in Kypsela trafen. Dort kam es zu einem Skandal – Assen wurde wegen seiner,unbeherrschten Sprache‘, wie der Chronist Niketas Choniates schrieb, ins Gesicht geschlagen. Erst danach begannen sie, die Organisation und Vorbereitung des Aufstands in viel größerem Maßstab voranzutreiben“, so der Historiker.

Prof. Plamen Pawlow

„Andererseits ist es nicht ganz falsch, den Aufstand am Tag des Heiligen Demetrius zu begehen“, fügte er hinzu. „Denn offensichtlich war die Stimmung im Land bereits reif, um die byzantinische Herrschaft abzuschütteln. Man muss jedoch anerkennen, dass die Macht des Byzantinischen Reiches keineswegs schwach war – auch nicht in Nordbulgarien. Frühere Historiker nahmen an, dass sie nördlich des Balkangebirges nur symbolisch gewesen sei. Das entspricht jedoch keineswegs der Wahrheit.“


Im August 1185 wurde Thessaloniki – die zweitgrößte Stadt des Reiches – von normannischen Truppen aus Sizilien erobert und geplündert. Wahrscheinlich waren es bulgarische Soldaten aus der byzantinischen Garnison, die die wundertätige Ikone des Heiligen Demetrius von Thessaloniki retteten. Gemeinsam mit den Reliquien des Heiligen wurde sie nach Tarnowo gebracht. Die Brüder Petar und Assen zeigten sie der Menge bei der Weihe der neu errichteten gleichnamigen Kirche, die dem Heiligen geweiht war, und riefen dabei den Aufstand aus. Um die Angst der Bulgaren vor einer möglichen Vergeltung des byzantinischen Kaisers zu überwinden, erklärten die Anführer Petar und Assen, der Heilige Demetrius habe seine himmlische Unterstützung von den Byzantinern abgewandt und seine wundertätige Kraft nun Tarnowo zugewandt.

Kirche des Hl. Demetrius von Thessaloniki in Weliko Tarnowo

„Wir sprechen hier von Menschen mit tiefem Wissen, keineswegs von zufälligen Aufrührern“, betonte Professor Pawlow. „Isaak II. Angelos irrte sich, als er sie für gewöhnliche Unzufriedene hielt. Er unternahm einen Feldzug, besiegte sie, vertrieb sie und glaubte, die Angelegenheit sei erledigt. Doch er erkannte nicht, dass er Petar und Assen nicht in wenigen Wochen würde besiegen können.“

Schlacht zwischen Bulgaren und Byzantinern – Szene im Multimedia-Besucherzentrum Zarewgrad-Tarnowo

Professor Pawlow ist der Ansicht, dass in der Geschichtsschreibung die Rolle des jüngeren Bruders Assen bei der Wiederherstellung des Bulgarischen Reiches überbetont werde, während Zar Petar – mit bürgerlichem Namen Todor – zu Unrecht in den Hintergrund trete.

Die Inschrift der Kirche „Hl. Demetrius von Thessaloniki“ mit dem späteren Zaren Petar – eine Szene im Multimedia-Besucherzentrum Zarevgrad-Tarnowo

„Unter den byzantinischen Autoren herrschte die größte Abneigung gegen Petar. Offensichtlich war er der Ideologe der Bewegung. Zwischen Petar und Assen kam es jedoch zu Unstimmigkeiten – oder, wie der bedeutende amerikanisch-russische Byzantinist Alexander Kazhdan sagte, zu einem Bruch. Um das Jahr 1193 kam es zu internen Konflikten, und Petar überließ Assen die Führungsrolle, ohne jedoch auf den Zarentitel zu verzichten. Für die ausländischen Herrscher galt Petar weiterhin als der offizielle Monarch. Worin lag die Ursache dieses Bruchs? Petar vertrat offenbar einen gemäßigteren Kurs. Er war sich der Stärke von Byzanz und dessen Verbündetem Ungarn bewusst, während die radikaleren Kräfte von Assen angeführt wurden. Wenn man darüber nachdenkt, war Petar vielleicht der Klügere von beiden“, resümierte der Historiker.

„Ankündigung des Aufstands der Zaren Petar und Assen in Tarnowgrad“, Künstler Dimitar Gjudschenow

Gemeinsam mit anderen Forschern betont Professor Pawlow seit Langem, dass die eigentlichen „Brüder-Befreier“ der bulgarischen Geschichte die Gründer der Asseniden-Dynastie seien. Nach dem Jahr 1185 gelang es den Zaren Petar, Assen, Kalojan und Iwan Assen II., das Bulgarische Reich innerhalb von nur 40 Jahren zu einem entscheidenden Machtfaktor für die politischen Geschicke des Balkans zu machen.

Das „Assenewzi“-Denkmal in Weliko Tarnowo

Autor: Iwo Iwanow

Übersetzt und veröffentlicht von Lyubomir Kolarov

Fotos: Facebook / Vasil Goranov, Iwo Iwanow, Archiv, BTA



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Silistra begeht 85. Jahrestag seit der Rückgabe der Süddobrudscha an Bulgarien

Am 1. Oktober wird in der nordostbulgarischen Stadt Silistra mit einer feierlichen Zeremonie der 85. Jahrestag der Rückgabe der Süddobrudscha an Bulgarien gefeiert, berichtete die BTA. Vertreter der lokalen und zentralen Behörden sowie Bürger..

veröffentlicht am 01.10.25 um 08:35
Emmanuel Delhoum in der Mitte

Wie der Franzose Emmanuel Delhoume aus Paris unser Land und Radio Bulgarien entdeckte

Wir trafen den Franzosen Emmanuel Delhoume in der bulgarischen orthodoxen Kirche „Hl. Patriarch Euthymios von Tarnowo“ in Paris. Er ist verheiratet, hat fünf Kinder und seine Familie bekennt sich zum orthodoxen Glauben. Er entdecktе Bulgarien in..

veröffentlicht am 25.09.25 um 14:25
 Ilijana Jotowa

Vizepräsidentin: Der christliche Glaube und die Schrift bewahren unser Volk seit 12 Jahrhunderten

Dank der Christianisierung, der Schrift und der Sprache bleiben das bulgarische Volk und Bulgarien im Gedächtnis Europas, selbst als der bulgarische Staat jahrhundertelang von der politischen Landkarte des alten Kontinents verschwand. Die..

veröffentlicht am 24.09.25 um 17:05