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Sondierungsgespräche – ein neuer Begriff in der bulgarischen Politik

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Nach der Neuwahl zeigen die bulgarischen Politiker zwar endlich Transparenz, immer wieder jedoch keine Effizienz.
Foto: BGNES

Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen am 5. Oktober gibt es eine wichtige Neuheit im hiesigen politischen Leben. Zum ersten Mal in der kurzen demokratischen Geschichte Bulgariens finden Sondierungsgespräche für die Bildung einer Regierung statt. Will man optimistisch sein, so erfüllt sich eine der wichtigsten Forderungen der präzedenzlosen Bürgerproteste aus dem vergangenen Sommer – die Forderung nach Transparenz in der Politik. Ein düsterer Blick auf die zu Ende gehende Woche verrät jedoch, dass man in Bulgarien in der Lage ist, auch jede so edle Sache zu vermasseln.

Das Wahlergebnis gab den politischen Kräften eine sichtlich schwierige Aufgabe auf. Keine einzige Partei ist in der Lage, allein zu regieren. Mehr noch – keine Zwei-Parteien-Koalition kommt auf ausreichend Mandate im neuen Parlament, um stabil zu regieren. Die Formel ist also eine Dreierkoalition. Und obwohl es im Parlament diesmal eine große Auswahl an Parteien gibt, erleichtert diese Fragmentierung die Lösung des Wahlrebus keinesfalls. Im Gegensatz – eine ideologisch korrekte Regierungskoalition erscheint kaum möglich, denn die Parteien in Bulgarien stehen mit ganz wenigen Ausnahmen für keine konkrete Politik und vertreten nicht die Interessen bestimmter Bevölkerungsschichten. Die große Ausnahme ist die Türkenpartei DPS. Darüber hinaus braucht jede andere Partei die zusätzliche Erläuterung, dass sie, zumindest auf dem Papier, bürgerlich, konservativ, sozialdemokratisch oder nationalistisch ist.

Angesichts fehlender Schnittmengen im neuen Parlament überlegte sich die bürgerliche GERB als Wahlsieger ein elegantes Konzept – die Einleitung von Sondierungsgesprächen mit allen im Parlament vertretenen Parteien ist zweifelsohne ein starker Trumpf in einem Land, wo bisher das Kabinett hinter verschlossenen Türen und ausnahmslos ohne schriftliche Koalitionsvereinbarung gebildet wurde. Nun setzen sich zum ersten Mal selbst verfeindete Politiker gemeinsam an den Verhandlungstisch und suchen nach Gemeinsamkeiten. Genau diese Transparenz und politische Vernunft vermissen wir in Bulgarien seit der Wende. Die monatelangen Bürgerproteste seit vergangenem Juni richteten sich gegen die Schein-Demokratie, in der wir seit nun schon 25 Jahren leben.

Zur Halbzeit der Sondierungsgespräche sieht es allerdings nicht mehr so optimistisch aus. Ausgerechnet der als sicher geglaubte Koalitionspartner der bürgerlichen GERB, der konservative Reformblock, hat das Ganze vermasselt. Die fünf kleinen konservativen Parteien fanden im Zuge der Massenproteste im vergangenen Sommer im Bündnis Reformblock zueinander und gelten seitdem als der politische Hoffnungsträger jener Bulgaren, die in einem demokratischen Land leben möchten. Der Hoffnungsträger ist aber während des Gesprächsmarathons am Mittwoch typisch bulgarisch gescheitert – persönliche Sticheleien und Machtansprüche lassen den Reformblock als Koalitionspartner unsolide erscheinen.

Darüber hinaus treten alle Parteien in die Sondierungsgespräche mit Botschaften ein, die eher zum Wahlkampf gehören. Die erste Runde in dieser Woche erinnerte sehr an einen Kindergarten. Die Sozialisten formulierten "zwölf rote Trennlinien". Die Türkenpartei formulierte gar offene Drohungen, die Partei aus dem politischen Leben des Landes nicht zu isolieren. Der Reformblock forderte seinerseits eben die Isolierung der Sozialisten und der Türkenpartei. Die Patriotische Front wünscht sich die Türkenpartei aus dem Parlament verbannt, am besten vom Verfassungsgericht als ethnische Partei verboten. Und die nationalistische Ataka will an den Sondierungsgesprächen erst gar nicht teilnehmen.

Dabei ist die politisch relevante Tagesordnung in Bulgarien eine ganz andere – Baustellen, wie Staatshaushalt, Energiepolitik, Bankensektor. Bleibt zu hoffen, dass diese Themen nächste Woche in den Vordergrund rücken, wenn die Sondierungsgespräche fortgesetzt werden. Grundsätzlich sind sie eine gute Idee, die aber in Bulgarien noch Zeit braucht, um sich als politisches Instrument durchzusetzen.



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