Der nächste Fortschrittsbericht der EU-Kommission über Bulgarien, der im Januar erwartet wird, soll negativ ausfallen. Das zumindest erwartet Vizeregierungschefin Meglena Kunewa, wie sie in dieser Woche erklärt hat. Und sie kennt sich aus – schließlich war Kunewa Hauptverhandlungsführerin Bulgariens vor dem Beitritt 2007 und anschließend EU-Kommissarin. Nun ist sie im Koalitionskabinett für die Beziehungen zu Brüssel zuständig. Kunewa erwartet sogar, dass sich der Beitritt Bulgariens zum grenzkontrollfreien Schengen-Raums wegen des erwarteten negativen EU-Berichts verzögern wird. Den Beitritt schieben die EU-Innenminister seit Jahren auf die lange Bank. Einige Länder, darunter auch Deutschland, hatten zwei aufeinander folgende positive Fortschrittsberichte gefordert. Diesem Ziel scheint Nachbar Rumänien deutlich näher zu sein, als Bulgarien.
Die Fortschrittsberichte für Bulgarien und Rumänien erfolgen im Rahmen des bisher in der EU beispiellosen Kontroll- und Kooperationsmechanismus, der mit beiden Mitgliedsländern vereinbart wurde, da sie für die Mitgliedschaft in der EU wohl nicht ganz vorbereitet waren und zusätzliche Beobachtung in den kniffligen Bereichen Justiz und Inneres brauchen. Allem Anschein nach wird dieses Beobachtungsstatut auch acht Jahre nach dem EU-Beitritt beibehalten, wie die Kommissionssprecherin Mina Andreewa in dieser Woche gegenüber dem Bulgarischen Rundfunk bestätigt hatte. Explizit bemängelt die Brüsseler Kommission die unzureichende Korruptionsbekämpfung in beiden Ländern.
Jeder Dritte in Bulgarien hat schon mal Bakschisch gegeben. Was bedeutet, dass jeder Dritte es angenommen hat. Einer davon ist der Verkehrspolizist Sascho Trapkow, der in dieser Woche zunächst bei Facebook, später auch nach landesweiter Berichterstattung berühmt wurde – ein gelangweilter Student hatte mit seinem Handy zufällig gefilmt, wie der Fahrer eines bulligen Geländewagens dem Gesetzeshüter bei einer Verkehrskontrolle 30 Lewa (umgerechnet 15 Euro) zusteckt. Diese für Bulgarien nun wirklich alltägliche Szene schlug hohe Wellen und erwirkte sogar eine Änderung im Regelwerk der Verkehrspolizei, die ab sofort alle Verkehrskontrollen filmen soll. Bemerkenswert ist, dass sie Rechtssprechung in Bulgarien wohl über die sozialen Netzwerke erwirkt wird. Denn der Pechvogel Trapkow wird frühzeitig in Rente geschickt, vermutlich wird er eine Anklage umgehen und ganz sicher wird sich an diesen Vorfall bald niemand mehr erinnern.
Diese Geschichte schildert die Besonderheiten der Korruptionsbekämpfung im Rechtstaat Bulgarien – man holt tief zum Schlag gegen die Korruption aus, um bald darauf alles unter den Teppich zu kehren. Selbst, wenn es mal zum Gerichtsprozess kommen sollte, dauert dieser so nervenzerrend lange, dass die Sache über kurz oder lang in Vergessenheit gerät. Der Kampf gegen die Korruption in unseren Breitengraden erinnert sehr an den Kampf gegen die Märchenfigur des dreiköpfigen Drachens – anstelle des abgeschlagenen Kopfes wachsen ihm zwei neue. Und so enden Bestechungsprozesse, solange sie es gibt, meistens mit... Bestechung.
Den EU-Experten, die sich seit 2007 abmühen, Fortschrittsberichte über Bulgarien zu verfassen, geht einfach nicht in den Kopf, dass der Bakschisch in unseren Breitengraden einfach zum Way of living gehört. Zum Lifestyle sozusagen. Da helfen weder EU-Richtlinien, noch Kameras bei der Verkehrskontrolle. Und diesen Hang zum Bakschisch-Geben gibt es nicht seit gestern, darüber haben namhafte bulgarische Romanautoren exzellente Werke geschaffen. Neu sind das soziale und das gesellschaftspolitische Umfeld. Die weit verbreitete Armut ist ein Nährboden für die weitverbreitete Korruption. Die Löhne und Gehälter sind in Bulgarien auch ohne absichtlich eingefroren zu sein beleidigend niedrig. Und niemand macht so richtig einen Hehl daraus – schließlich weiß jeder, dass Beamte, Lehrer und Ärzte schon einen Weg finden, dazuzuverdienen. Unter dem Tisch, versteht sich. Die Korruption hat sich hier längst fest verankert. Die Bestechlichen brauchen nicht einmal selbst nach der Bestechung zu fragen, denn die Bestechenden bieten sie selbst an. Als Begründung gilt: "Das machen doch alle so!"
Und genau darin liegt das größte Problem – Ehre und Würde sind in unserer Gesellschaft so abgenutzt, dass man höchstens ausgelacht wird, wenn man anfängt, über Ehre und Würde zu sprechen. Hoch in Ehren standen in Bulgarien schon immer jene, die nebenbei verdienen. Gemeint ist aber nicht etwa ein Nebenjob.
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