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Taufe des Herrn und Johannistag im Volkskalender

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Das neue Jahr hat begonnen, doch laut Folkloretraditionen befindet sich die Welt noch im Übergang – der alte Zyklus ist beendet, hat jedoch die Kräfte der Erde, des Himmels und der Menschen aufgezehrt; das kosmische Chaos hat sich aller Dinge bemächtigt. Aus ihm wird jedoch das neue Leben entspringen – der neue Jahreszyklus wird geboren. Damit aber diese Lebenskräfte zu sprudeln beginnen, müssen die Welt und die Menschen von den dämonischen Kräften gereinigt werden, die in der Zeit des Übergangs von einem zum nächsten Zyklus herrschen. Diese Periode wird als „schmutzige“ oder „ungetaufte“ Tage bezeichnet. Die Reinigung selbst geschieht laut Volkskalender am sogenannten Winter-Wasserfest, das mit der Taufe des Herrn am 6. Januar und dem darauffolgenden Johannistag zusammenfällt. Die Volksbezeichnung „Wasserfest“ rührt von der Bedeutung des Wassers an diesen beiden Tagen her – es reinigt die Welt und die Menschen und stellt die Harmonie wieder her, damit der neue Zyklus beginnen kann.

Früher war man davon überzeugt, dass das Wasser in der Nacht zur Taufe des Herrn am 6. Januar in allen Quellen, Flüssen und Seen für einen kurzen Augenblick innehält, um sich selbst zu reinigen. Danach besitze es seine außergewöhnliche Reinigungskraft. In der christlichen Lehre spricht man ebenso von der reinigenden Kraft des Wassers, die es aber erst dann erlangt, wenn darin ein Kreuz eingetaucht wird. In einigen Regionen Bulgariens wird diese Zeremonie am Tag vor der Taufe des Herrn durchgeführt. Diesen Tag nennt man im Volksmund „Popen-Weihnachten“ oder „Wasserkreuz“ und stellt sich darunter die „Taufe“ des Wassers vor. In anderen Regionen geschieht das am Morgen der Taufe Christi unmittelbar nach der Morgenmesse. Dem Volksglauben nach wird es ein besonders gesundes und fruchtbares Jahr werden, wenn das Wasser am eingetauchten Kreuz oder dem Buchsbaumwedel für die Wasserweihe gefriert. Es wird ein gutes Jahr erwartet, wenn an diesem Tag das Wetter kalt und trocken ist. In einigen Orten Bulgariens werden nur verhältnismäßig geringe Mengen Weihwasser „hergestellt“. Anderswo wirft der Priester ein Kreuz direkt in ein Gewässer. Junge Männer springen trotz des winterlichen Wetters dem Kreuz hinterher und versuchen es in dem kalten Wasser zu erhaschen. Jener, der das Kreuz als erster aus dem Wasser holt wird das ganze Jahr über gesund und kräftig sein. Laut einem alten Brauch erhalten an diesem Tag auch die Junggesellen und die frischverheirateten Männer eine Wasserweihe. Daher bezeichnet man den Tag auch als „Männer-Wasserfest“.

Am Tag darauf, an dem die Kirche Johannes den Täufer ehrt, wird das Baden im kalten Wasser fortgesetzt. Diesmal aber versuchen die Junggesellen die heiratsfähigen Mädchen ins Wasser zu werfen. Die Paten „baden“ ihrerseits die jungen Ehepaare und die kleinen Mädchen. Daher nennt man das Fest auch „Weiber-Wasserfest“.

Das Weihwasser besitzt aber nicht nur die Kraft, Menschen zu reinigen. Rituell wird an diesem Tag auch die Schar des Pfluges gewaschen, damit die Ernte reich ausfällt.

Die noch aus heidnischer Zeit stammenden reinigenden Rituale mit Wasser sind problemlos ins Christentum eingeflossen. Selbst die Volkslieder erzählen manch seltsame Geschichte. Eines darunter weiß zu berichten, wie sich die Gottesmutter mit dem neugeborenen Christus auf die Suche nach einem Taufpaten begeben habe. Der heilige Johannes habe sich einverstanden erklärt, dem Kinde die Taufe zu geben. Als Maria nun den Knaben über das Wasser des Flusses Jordan hielt, schillerte der Boden golden, während die Ufer sich in Silber tauchten, erzählt das Lied. Dieser göttliche goldene und silberne Glanz sei ein Vorbote der Glückseligkeit und das alle Jahre wieder. Der Lebenszyklus beginnt von vorn in der gereinigten, gesegneten und geweihten Welt des Menschen – die kosmische Harmonie ist wieder hergestellt.

Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow



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