„Die Macht der Worte – Netze, Radikalisierung und Verspottung“ Unter diesem Motto veranstaltete das bulgarische Parlament anlässlich der Woche der französischen Sprache und der Frankophonie (12. bis 20. März) eine internationale Konferenz. Diskutiert wurden vor allem die Radikalisierung der Jugendlichen in den sozialen Netzen und der Humor als politische Kritik.
Unter den Teilnehmern war der populäre bulgarische Karikaturist Tschawdar Nikolow. Er meinte, dass die Künstler, die politische Karikaturen machen, immer sehr gefährlich leben. Nikolow erinnerte an den bulgarischen Karikaturisten Alexander Dobrinow. Er hatte in den 20er Jahren, in denen in Bulgarien bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, eine Karikatur veröffentlicht, auf der der Tod zu sehen ist, der mitteilt, dass in diesem Jahr Christus zu Ostern nicht auferstehen werde. Das geschah nur eine Woche vor dem furchtbaren Bombenanschlag der Kommunisten auf die Kirche Heilige Nedelja in Sofia, bei dem 213 Menschen getötet und rund 500 Menschen verletzt wurden. Prompt wurde Dobrinow verhaftet und verdächtigt, er habe von den Anschlagsplänen gewusst. Er verbrachte rund ein halbes Jahr in Untersuchungshaft, bis seine Unschuld bewiesen wurde. Sein gestörtes Verhältnis zu den Politikern blieb aber. Auch nach dem Machtantritt der Kommunisten 1944 bekam er Probleme. Das sogenannte Volksgericht verurteilte ihn wegen seiner Karikaturen über das Leben in der damaligen Sowjetunion zu zwei Jahren effektiver Haft.
Auch Alexander Boschinow – ein weiterer populärer Karikaturist in Bulgarien, kam ebenfalls auf die Anklagebank des Volksgerichts. Als die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Hitlerdeutschland noch glänzend waren, hatte er in einer Karikatur den sowjetischen Regierungschef Molotow mit den Symbolen Nazi-Deutschlands geschmückt. Das wurde ihm später sehr übel genommen. Vors Gericht wurde der Maler Ilija Beschkow zitiert, der als treuer Anhänger der Kommunisten galt. Er sollte gegen seinen Kollegen aussagen. Der Richter fragte ihn: „Nun, Herr Beschkow, was sagen sie als bester Karikaturist?“ Er antwortete zur Überraschung aller: „Nein, nein, Euer Ehren, sie richten gerade über den besten bulgarischen Karikaturisten!“
„Das brachte ihm ein Jahr Haft auf Bewährung ein“, erzählt Tschawdar Nikolow. „Der krasseste Fall ist jedoch der mit dem Publizisten und Karikaturisten Rajko Alexiew. Eine seine Karikaturen, die in der Zeitung „Die Grille“ veröffentlicht wurde, zeigte Stalin, wie er auf einer Balalaika spielt und dazu singt: „Wolga, Wolga, unseres Volkes Mutter“; Alexiew hatte als Kommentar hinzugefügt: „Wo wird denn das bloß enden?“ Die Kommunisten vergaßen den Spott nicht und brachten ihn nach ihrem Machtantritt um. Posthum verurteile ihn das Volksgericht – sein Eigentum wurde konfisziert und seine Bücher verboten.“
Die Karikaturisten hatten es zu allen Zeiten nicht besonders einfach. Tschawdar Nikolow setzt fort: „Interessant ist ein Fall aus dem Jahre 1968. Der Satiriker Radoj Ralin und der Karikaturist Boris Dimowski gaben ein Buch heraus, das „Peperoni“ hieß. Nur zwei Wochen nach seinem Erscheinen wurde das Buch eingezogen und im damaligen Polygraphischen Kombinat vernichtet und das wegen einer Karikatur zu einem Reim von Ralin: „Ein voller Bauch stellt sich für die Wissenschaft taub“. Dargestellt war ein gemästetes Schwein, das sich im Wohlgefallen sielte. Sein Ringelschwanz erinnerte aber stark an die Unterschrift des Staats- und Regierungschefs Todor Schiwkow. Nach diesem Vorfall verloren beide die Arbeit und fielen in Ungnade.“
Ein anderer bulgarischer Karikaturist, Todor Zonew, hatte insbesondere Schiwkow aufs Korn genommen und nach der Wende zur Demokratie 1989 zeigte er all seine Karikaturen in einer Ausstellung, die zu den meistbesuchten gehörte.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
In der Galerie: Karikaturen von Tschawdar Nikolow
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