Die Lage nach dem versuchten Putsch in der benachbarten Türkei hat sich relativ beruhigt. Der Grenzverkehr zwischen beiden Ländern ist mittlerweile auch normal, wie auch die Kommunikationen zwischen beiden Nachbarländern. Die Reaktionen auf die Geschehnisse in der Türkei machen Platz für erste Analysen. Damit befassen sich heute auch die EU-Außenminister in Brüssel, wo Bulgarien durch seinen Chefdiplomaten Daniel Mitow vertreten sein wird. Die Außenminister der EU-Staaten wollen in Brüssel darüber beraten, wie die Europäische Union auf die jüngsten Ereignisse in der Türkei reagieren kann.
Als unmittelbares Nachbarland haben die Ereignisse in der Türkei Bulgarien nicht nur überrascht, sondern auch besorgt und gezeigt, wie wichtig die Stabilität dort für das Land ist. Immerhin ist die Türkei nicht nur das flächengrößte Nachbarland Bulgariens, sondern zudem auch ein Land mit mehrfach größerer Wirtschafts- und Militärmacht und natürlich auch ein wichtiger Handelspartner. Mit der Türkei ist Bulgarien dazu noch historisch aufs engste verbunden. Dort leben Tausende Türken, die aus Bulgarien ausgezogen sind und heute die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Tausende Bulgaren verbringen ihren Urlaub im Nachbarland.
Der versuchte Putsch ließ vermutlich auch deshalb die politische Spitze in Bulgarien schnell erklären, dass sich Sofia eine möglichst schnelle Rückkehr zur demokratischen Ordnung in der Türkei wünscht. Staatspräsident Rossen Plewneliew erklärte, die Stabilität und der Frieden in der Türkei seien von erstrangiger Bedeutung für Bulgarien. "Wir unterstützen die demokratisch gewählte türkische Regierung", so Plewneliew.
Ministerpräsident Borissow sprach es deutlicher aus: "Wir verurteilen diese Verletzung der Verfassungsordnung und den Versuch, mit Gewalt an die Macht zu kommen." Eine so einstimmige Reaktion von Präsident und Regierungschef hat auch eine weitere innenpolitische Bedeutung angesichts der Meinungsverschiedenheiten der letzten Wochen. Zu den brisanten Themen, die von Plewneliew und Borissow unterschiedlich interpretiert werden, gehört etwa die Lage im Schwarzmeerraum und die Rolle Russlands dabei. Soweit musste es kommen: Um ja keine neuen Auseinandersetzungen zuzulassen, ordnete das Außenministerium der bulgarischen Botschafterin in Ankara an, den Putschversuch nicht zu kommentieren.
Einer einhelligen Meinung sind sich sogar Erzfeinde in Bulgarien, wie die parlamentarische Türkenpartei DPS und ihre Splitterpartei DOST. Zur Spaltung kam es übrigens unter anderem auch wegen der unterschiedlichen Haltung in der Führungsspitze zur Türkei. Dennoch haben beide Parteien – die DPS wie die DOST – den versuchten Putsch im Nachbarland scharf verurteilt.
Angesichts der üblichen Kontroversen zwischen der regierenden Mitte-Rechts-Partei GERB und den oppositionellen Sozialisten bezeichnete die Vorsitzende der sozialistischen Partei Kornelia Ninowa die Reaktion des Kabinetts überraschend als angemessen. Mehr noch – wegen der angespannten Lage in einem Nachbarland brechen die Sozialisten die Beratungen mit anderen Oppositionsparteien über einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ab. Ninowa schloss nicht aus, dass die Sozialisten eine Tagung des Nationalen Sicherheitsrats beim Präsidenten fordern werden, sollte sich die Situation zuspitzen. Dafür hatte sich auch die nationalistische Parlamentspartei Ataka ausgesprochen.
Die Eintracht unter den politischen Erzfeinden ist vermutlich auch dadurch zu erklären, dass die Stabilität in der benachbarten Türkei für die beispiellose Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten nach Europa von fast schon entscheidender Bedeutung ist. Bei einer eventuellen Destabilisierung der Türkei wäre Bulgarien das erste sichere Nachbarland, wo die Flüchtlinge Schutz bekommen können. Alle internationalen Verträge verpflichten Bulgarien, die Massenmigration aufzunehmen. Dazu wäre Bulgarien ganz bestimmt nicht in der Lage.
Übersetzung: Vessela Vladkova
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