Am Freitag vergangener Woche brachte die zurückgetretene Regierung, jedoch bis zur Wahl eines neuen Kabinetts weiterhin amtiert, einen Entwurf über einen Plan zum Wiederaufbau in Bulgarien ins Parlament ein. Das Thema wurde von den neugewählten Abgeordneten heiß diskutiert. Die Parlamentsmehrheit von der GERB wurde beschuldigt, dass im Plan keine konkreten und erfüllbaren Maßnahmen genannt werden, die die Wirtschaft des Landes wieder ankurbeln könnten.
Arbeitgeber und Gewerkschaften forderten ihrerseits einen gesellschaftlichen Konsens zum Nationalen Plan über den Wiederaufbau und eine nachhaltige Entwicklung Bulgariens 2021 bis 2027. Entsprechend sollen in dieser Woche Treffen mit den Vorsitzenden aller Parlamentsparteien stattfinden. Das Thema sei überparteilich und betreffe die gesamte Öffentlichkeit, hieß es in einem Appell der Arbeitgeber und Gewerkschaften. Sie betonen, dass dieser Wiederaufbauplan bis Ende dieses Jahres gebilligt werden müsse, andernfalls könnte die europäische Krisenhilfe für die Unternehmen und Privathaushalte in Verzug geraten.
Im ersten Jahresquartal 2021 wies der Staatshaushalt ein Defizit von 650 Millionen Lewa (ca. 332 Mill. Euro) auf, was seit 2014 nicht der Fall gewesen ist. Das stelle die Möglichkeit des Haushalts in Frage, die Finanzhilfen zur Unterstützung von Wirtschaft, Beschäftigung und Einkommen fortzusetzen, sind sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einig.
„Über 50 Prozent der Unternehmen erwarten, dass der Wirtschaftsstand von 2019 erst 2022 wiedererreicht wird. Die Frage, ob es die Unternehmen in Bulgarien auch in Zukunft geben wird, ist durchaus berechtigt. Wenigstens liegt bereits ein Wiederaufbauplan vor, der demnächst modelliert und redigiert werden kann“, sagte Wassil Welew, Vorsitzender des Geschäftsrates der Vereinigung des Industriekapitals in Bulgarien.
Unternehmer und Gewerkschaften haben bereits gemeinsame Vorschläge ausgearbeitet, in denen es u.a. um eine Entwicklung der Fonds zur technologischen Modernisierung, der „grünen Wende“ und der Digitalisierung geht, für die über eine Milliarde Lewa (ca. 512 Mill. Euro) bereitgestellt werden sollen.
Die Gewerkschaftszentrale KNSB ist der Ansicht, dass eine größere Hilfe verlangt werden könne. KNSB-Präsident Plamen Dimitrow untermauerte diese Haltung mit Zahlen des Internationalen Währungsfonds, dass sich die von März 2020 bis dato eingeleiteten Maßnahmen auf 8 Milliarden Lewa (ca. 4,1 Mrd. Euro) belaufen, was lediglich 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmache.
Die Unternehmer fordern ferner eine Verlängerung der Antikrisenmaßnahmen bis Ende dieses Jahres sowie eine zusätzliche Hilfe von anderthalb Milliarden Lewa (767 Mill. Euro) für die Wirtschaft des Landes. Die staatliche Leitung wird beschuldigt, lediglich die Hilfen, jedoch nicht die von der EU angebotenen Kreditmöglichkeiten in Höhe von 4,5 Milliarden Euro im Anspruch genommen zu haben.
„Das weist darauf hin, dass Bulgarien nicht beabsichtigt, Kredite aufzunehmen“, konstatiert Plamen Dimitrow. „Wir unsererseits bestehen darauf, dass mit diesen niedrigverzinsten Krediten, die eine Laufzeit von 30 Jahren haben, die internen Programme neu strukturiert werden, wie z.B. den Umstieg der Energiegewinnung von Kohle auf Gas.“
„Die Gewerkschaften und Arbeitgeber wissen am besten, was im Land passiert“, ist Dimitar Manolow, Vorsitzender der anderen großen Gewerkschaftszentrale - „Podkrepa“, überzeugt. Er hatte auf die Unterzeichnung einer nationalen Dreiseitenvereinbarung von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierung gedrängt, in der die führenden Themen im Land umrissen werden.
„Es geht um das Energiewesen, die Sozialpolitik, die demographischen und Bildungsprobleme, die Einschränkung der Schattenwirtschaft und andere wichtige Dinge, mit denen wir uns noch etliche Zeit auseinandersetzen müssen. Momentan ist noch unklar, wer das Staatsruder übernehmen wird, doch die Probleme werden dieselben bleiben. Aus diesem Grund werden wir darauf bestehen, dass die im Dokument aufgelisteten Fragen künftig mit Priorität behandelt werden.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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