Nächste Woche wird Bulgarien voraussichtlich eine neue Regierung haben. Der Weg dafür ist zumindest freigeräumt, nachdem auch die liberale Partei der türkischen Minderheit DPS den Regierungsauftrag des Präsidenten abgelehnt hat. Dies hatten zuvor auch die übrigen zwei Parteien im Parlament getan – die noch regierenden Sozialisten und die bürgerliche Oppositionspartei GERB. Die Verfassung sieht als Nächstes vor, dass das jetzige Parlament aufgelöst wird, und der Präsident eine Interimsregierung einsetzt, um die vorgezogenen Parlamentswahlen am 5. Oktober vorzubereiten.
„Hiermit gebe ich den Regierungsauftrag zurück“, sagte der DPS-Vorsitzende Ljutwi Mestan beim Präsidenten. „Damit halten wir uns an den Vereinbarungen mit den führenden politischen Kräften. Bulgarien braucht vorgezogene Parlamentswahlen. Sie sind der direkte Weg zur Stabilität“, sagt Mestan.
Die Interimsregierung, die nächste Woche die Geschäfte übernehmen soll, wird die zweite innerhalb der Amtszeit eines Präsidenten sein. Das kommt zum ersten Mal vor. Und dazu kam es, nachdem die sozialliberale Minderheitsregierung von Plamen Orescharski keine ausreichende parlamentarische Unterstützung hatte. Die Wahlniederlage der regierenden Sozialisten bei den Europawahlen rief die eigentliche Regierungskrise hervor, denn Koalitionspartner DPS entzog seine Unterstützung für das Kabinett.
Das Kabinett Orescharski führt einige Ranglisten an. Es ist die kürzeste Amtszeit seit der Wende. Es ist das am meisten bewachte Nachwende-Kabinett Bulgariens. Es ist das Kabinett mit den skandalträchtigsten
Personalentscheidungen, die zu monatelangen Massenprotesten geführt haben. Es ist das Kabinett, das zum ersten Mal nach 1996 mit Bankenkrise in einem Atemzug genannt worden ist.
Das Parlament, das nächste Woche seine letzte Plenarsitzung haben soll, erlebt derzeit keine besonders ruhmreichen Tage. Ein Parteienstreit zwischen den regierenden Sozialisten und der bürgerlichen Opposition über die Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts führte zu seiner vorzeitigen Auflösung – die oppositionelle GERB-Partei hat vor, den Plenarsaal nicht mehr zu betreten. Das würde bedeuten, dass auch die vom Staatspräsident angestrebten erweiterten Vollmachten für seine Übergangsregierung ins Wasser fallen werden. DPS-Chef Ljutwi Mestan erläutert die Situation:
„Der Präsident ist der Ansicht, dass die Interimsregierung mehr Vollmachten haben sollte, als die Verfassung vorsieht, nämlich nur die Regierungsgeschäfte zu führen und die Neuwahlen vorzubereiten“, sagt Ljutwi Mestan. „Der einzige Unterschied zwischen der Interimsregierung und einer vom Parlament gewählten Regierung ist eben das fehlende Parlament. D.h., dieses Kabinett hat keine gesetzgeberische Initiative.“
„Die DPS wird, wie auch bei den Europawahlen, einen korrekten und fairen Wahlkampf führen“, erklärte Ljutwi Mestan weiter. „Leider haben wir aber das Gefühl, dass dies für unsere politischen Gegner nicht zutrifft. Wir erwarten einen Wahlkampf mit Schlägen unter der Gürtellinie. Ich kann aber versichern, dass von der DPS keine Skandale ausgehen werden“, versprach Mestan.
Übersetzung: Vessela Vladkova
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