Die Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen, hat etliche Pläne der Union durcheinandergebracht. Bulgarien hätte erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen sollen, muss das aber nun bereits ein halbes Jahr früher tun. Das stellt Bulgarien nicht nur vor eine weitere Herausforderung, sondern schafft zusätzliche Ungewissheiten.
Die Übernahme des EU-Vorsitzes erfordert eine Vorbereitungszeit von einem bis anderthalb Jahren. Angesichts der Tatsache, dass es sich um die erste Ratspräsidentschaft unseres Landes handeln wird, hatte Bulgarien eine dreijährige Vorbereitungsphase eingeplant. Bereits vor dem Brexit wurden jedoch Stimmen laut, dass wir im Rückstand seien. Die Regierung schob das auf die Unstimmigkeiten bei der Bildung des Nationalstabs für die Vorbereitung und Durchführung des EU-Vorsitzes. Nunmehr kommentierte die Europaministerin Meglena Kunewa vorsichtig, dass die Einhaltung der Vorbereitungsfrist „nicht unmöglich“ sei.
Die Lage ist tatsächlich recht kompliziert. Rein organisatorisch ist noch nicht die Frage geklärt worden, wo die rund 20.000 Personen untergebracht werden sollen, die sich in der ersten Jahreshälfte 2018 an den Sitzungen beteiligen werden. Die eingeleiteten Renovierungsarbeiten für die Residenzen „Bojana“ und „Losenetz“, wie auch der Gebäude des ehemaligen Sitzes der kommunistischen Partei und des Nationalen Kulturpalasts müssen nun vorfristig fertiggestellt werden, was die Kosten in Höhe schnellen lässt. Erneut wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht besser sei, den Vorsitz von Brüssel aus zu führen. Man bräuchte nur die ständige Vertretung Bulgariens aufzustocken und könnte die meisten Veranstaltungen in Brüssel organisieren. Das würde Kosten sparen, würde aber die Zahl der Ereignisse einschränken, auf die die bulgarischen Politiker gern einen Akzent setzen würden. Eines darunter ist z. B. der Tag des slawischen Schrifttums und der bulgarischen Kultur, der am 24. Mai begangen wird. Ihn möchte Bulgarien besonders hervorheben. Die Entscheidung, ob es ein „bulgarischer“ oder ein „Brüsseler“ Vorsitz sein werde, hängt ganz davon ab, wer den neuen Operativstab für die Vorbereitungen leiten wird. Das scheint aber noch nicht auf der Tagesordnung zu stehen und man spricht von „Ratspräsidentschaft mit Sitz vornämlich in Sofia“.
Die großen Fragen, von denen der Erfolg des EU-Vorsitzes abhängt, hängen davon ab, was auf der EU-Tagesordnung steht und das sind Wirtschaftswachstum, Senkung der Arbeitslosigkeit, soziale Eingliederung und Gleichheit, wie auch Sicherheit der europäischen Bürger und die Bewältigung von Herausforderungen in Verbindung mit der Migration und dem Terrorismus. Es ist ferner nicht ausgeschlossen, dass während des bulgarischen EU-Ratsvorsitzes auch komplizierte Fragen im Zusammenhang mit dem Brexit und der künftigen EU-Erweiterung behandelt werden müssen.
Bislang behauptet die bulgarische Regierung, dass bei voller Mobilisierung aller Kräfte den Herausforderungen erfolgreich entgegnet werden könne. Grund für diesen Optimismus gibt die Tatsache, dass in allen Ministerien die bestehenden Expertenteams genutzt werden können, die sich mit der neuen Programmperiode der EU auseinandersetzen.
Die Vorverlegung des Vorsitzes gewährt rein innenpolitisch betrachtet auch einen Vorteil. Die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar 2018 schließt die hypothetische Möglichkeit aus, 2017 vorgezogene Parlamentswahlen durchzuführen. Das neue Kabinett wäre derart kurzfristig einfach nicht der Aufgabe gewachsen, den EU-Vorsitz vorzubereiten und zu führen, und würde daher keinesfalls eine solch große Verantwortung übernehmen wollen. Diese Tatsache gewährt dem Kabinett „Borissow“ die Chance für ein starkes Finale seines Mandats. Das wiederum stimuliert die Regierung, die neuen Herausforderungen zu meistern. Ob sie jedoch diese Chance zu nutzen wissen wird, kann an den nächsten Schritten abgelesen werden.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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