Die Sofioter Stadtgalerie stellt dem breiten Publikum erneut Werke eines in Vergessenheit geratenen Künstlers vor, über den seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts kaum noch jemand gesprochen hat. Die Ausstellung „Pentscho Georgiew – zwischen Theater und Leben“ haucht den Gesichtern jener Menschen wieder Leben ein, denen das Schicksal verschiedene Rollen zugeschrieben hat, den Betrachtern aber auch die imaginären Bühnenerlebnisse der Darsteller mittels den neuartigen Bühnenbildern und Kostümen näher bringt.
Pentscho Georgiew kam zusammen mit dem neuen 20. Jahrhundert auf die Welt. Sein erster Schicksalsschlag war der frühe Tod des Vaters, der in den Balkankriegen bei Adrianopel fiel. Trotz dieser Tragödie schaffte es die Mutter, allen ihren drei Söhnen eine gute Ausbildung zu sichern – alle drei konnten studieren.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges verlässt der künstlerisch begabte älteste Sohn seinen Geburtstort Wratza in Nordostbulgarien, um an der Kunstakademie in Sofia zu studieren. Erste Erfolge stellen sich ein und er erhält vom damaligen Kulturministerium ein Stipendium für eine Weiterbildung in Paris.
„Dort, in diesem Mekka der Kunst, hat Pentscho Georgiew einen europäischen Schliff erhalten. Er hatte die Möglichkeit, sich mit den modernen Strömungen in der Kunst vertraut zu machen und sich von ihnen beeinflussen zu lassen“, erzählt Stanislawa Nikolowa, Kuratorin der Ausstellung. „Er schrieb sich in der Kunstgewerbeschule ein, erlernte die graphischen Künste, interessierte sich aber auch für Bühnenbildgestaltung und Theaterkunst. Es gibt sogar Belege dafür, dass er sich bereits in Paris einige Male als Bühnenbildner betätigt hat. Die französische Hauptstadt war für seine künstlerische Entwicklung überaus wichtig. Als er 1932 nach Bulgarien zurückkehrte, schloss er sich der „Vereinigung neuer Künstler“ an und beteiligte sich an der Kunstentwicklung im Land mit modernen Sichtweisen.“
In Paris betrachtete Pentscho Georgiew häufig die Gesichter der geplagten einfachen Menschen und zeichnete Straßenmusikanten, Kabarett-Tänzerinnen, Blumenmädchen, Arbeiter und Obdachlose unter den Brücken der Seine.
Noch in Paris lernte er den bulgarischen Komponisten Ljubomir Pipkow kennen und half ihm bei der Bühnengestaltung seiner Oper „Janas neun Brüder“; später übernahm er die Szenografie der Inszenierung am Nationaltheater in Sofia.
Das Werk von Pentscho Georgiew durchläuft zwei Perioden. In der ersten widmet er sich dem Heimischen, den Ikonen, der Mutter, dem Dorf und dem Tod und in der zweiten beschäftigt er sich mit dem kleinen Mann, der Mutterschaft, der Arbeit und dem Stadtleben.
„Die Besucher der Ausstellung werden bereits am Anfang einige frühe Arbeiten sehen, in denen sich Pentscho Georgiew mit der Darstellung des heiligen Iwan Rilski auseinandergesetzt hat“, erzählt weiter die Kuratorin. „Gezeigt werden aber auch einige seiner bedeutendsten Werke, wie beispielsweise „Totensonntag“ von 1929. Teil der Ausstellung sind auch etliche seiner Werk aus den 30er Jahren, so dass der Besucher die Möglichkeit hat, sich mit den zwei Schaffensperioden des Malers vertraut zu machen. In den 20er Jahren standen der Mensch auf dem Land im Mittelpunkt, während es im nächsten Jahrzehnt der Arbeiter in der Stadt war.“
Obwohl Pentscho Georgiew ein produktiver Maler gewesen ist, hat er sein volles Talent im Theater entfaltet. Er hat die Bühnenbilder von über 20 Inszenierungen des Nationaltheaters und über 40 des Theaters in der nordbulgarischen Stadt Russe gestaltet.
„Während die alten Bühnenbildner realistisch gestaltet waren und einen Erzählcharakter besaßen, lenkten die modernen Maler, unter ihnen Pentscho Georgiew, die Entwicklung in Richtung einer sparsameren Bühnengestaltung, die den Künstlern mehr Freiraum lässt. Die neuen Kulissen waren ausgesprochen leicht, konnten problemlos und schnell bewegt werden. Die Bühnenarbeiter haben ihn also sehr gemocht, aber auch die bedeutendsten bulgarischen Bühnenkünstler, da die Bühnendekoration das Publikum nicht vom Geschehen ablenkte.“
Pentscho Georgiew starb mit 40 Jahren bei einem Unfall – er fiel im Nationaltheater in die Versenkung, als er die Dekore für die Inszenierung von „Salambo“ vorbereitete. Er hinterließ nahezu 1.400 Werke, die sich heute in verschiedenen Privatsammlungen befinden. 150 konnte die Sofioter Stadtgalerie ausfindig machen und in einer Ausstellung vereinen.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Sofioter Stadtgalerie und Archiv
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