Unmittelbar nach der Befreiung Bulgariens von osmanischer Fremdherrschaft (Warna wurde als letzte Stadt am 27. Juli 1878 befreit) leitete die Gemeindeleitung der Stadt die ersten Schritte ein, um Warna in eine Destination für Erholungsuchende zu verwandeln. Es mussten Kredite aufgenommen werden, um umliegende Sümpfe trocken zu legen, ein erstes Hotel zu bauen und den sogenannten Meeresgarten anzulegen, der bis heute zu den schönsten Parkanlagen gezählt wird. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfügte Warna bereits über nahezu 20 Hotels und Dutzende gastronomische Einrichtungen, die die verschiedensten Kunden anlockten. In jener Zeit trafen auch die ersten organisierten ausländischen Touristen ein - eine große Gruppe Franzosen, die mit einem Schiff eintraf, um die örtlichen Natursehenswürdigkeiten – die Steinformation „Pobiti Kamani“ und die Karstquellen von Dewnja, zu besuchen.
Nach den Franzosen kamen die Tschechen
Die Tschechen verwandelten sich in die größte Gruppe ausländischer Gäste der Stadt. Entgegenkommend wurde das neuerrichtete Hotel im neuen Ferienort Hll. Konstantin und Helena auf den Namen „Prag“ getauft. „Vier Jahre nachdem Warna zu einem Urlauberzentrum erklärt wurde, kamen rund 24.000 Gäste in die Stadt und das bei einer Einwohnerzahl von rund 30.000“, erzählte uns Sonja Georgiewa, Direktorin der Tourismusabteilung der Stadtverwaltung Warna.
Die Badegäste gingen zuerst mit allesverdeckender Badebekleidung ins Wasser, doch schrittweise und zum Ärger der Moralapostel sielten sich am Strand zunehmend mehr leichter bekleidete Damen „mit unverschämt kurzen Röcken“. Für die Männer gab es gestrickte Badeanzüge. Es musste für Zucht und Ordnung gesorgt werden:
„Die Badestrände wurden in zwei geteilt – für Männer und für Frauen. Dazwischen verlief ein Laufsteg, auf dem ein Polizist auf und ab ging und dafür sorgte, dass Frauen und Männer getrennt baden“, erzählt Sonja Georgiewa.
Am Strand wurden sogar individuelle Kabinen eingerichtet, in denen sich gutbetuchte Damen und Herren ungestört ihrer Sonnenbäder hingeben konnten. Einige Kabinen besaßen sogar Wannen, in die warmes Meereswasser eingelassen wurde. Das Strandbad war ein beliebter Ort für Flirts, Sport und Erholung. „Es wurden auch Schönheitswettbewerbe durchgeführt. Erste Versuche in dieser Richtung unternehmen tschechischen Urlauber bereits 1920“, erzählt weiter Georgiewa. Die puritanisch gesinnten Kreise konnten sich aber mit dem „skandalösen und frivolen Verhalten der entblößten Damen“ nicht abfinden. Und so konnte der erste offizielle Schönheitswettbewerb am Strand von Warna erst 1934 stattfinden. Die daraufhin organisierten Revuen für Strandbekleidung verwandelten sich in die bestbesuchten Veranstaltungen der Stadt.
Abends flanierten die Gäste entlang der Strandpromenade, begleitet von Blasmusik. In jener Zeit erlebte das Festival „Warnaer Musiksommer“ seine ersten Ausgaben, das bis heute zu den kulturellen Highlights der Stadt gehört.
In den Jahren des Sozialismus etablierte sich Warna als Meereshauptstadt der Ostblockländer
Bulgarien schloss mit den anderen Bruderländern des Ostblocks Verträge über organisierte Reisen ab, die von den Gewerkschaften organisiert wurden. Aber auch mit den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs (vor allem Deutschland) wurde man sich einig. In den 60-er Jahren entstanden die ersten großen Feriensiedlungen in der Nähe von Warna, mit denen der Grundstein für den Massentourismus an der bulgarischen Schwarzmeerküste gelegt wurde.
„In den Jahren 2018 bzw. 2019, also unmittelbar vor der Corona-Pandemie, wurde Warna von 1,1 Millionen Touristen besucht und es wurden 4,5 Millionen Übernachtungen abgerechnet. D.h., innerhalb eines Jahrhunderts ist die jährliche Besucherzahl von 24.000 auf über eine Million gestiegen“, sagte uns abschließend Sonja Georgiewa, Direktorin der Tourismusabteilung der Stadtverwaltung Warna.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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