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Nur 11 Prozent der Bulgaren konnten 2022 sparen

Auf zwei Dritteln der Bankkonten sind Beträge bis zu 1.250 Euro

Foto: BGNES

Nur 11 Prozent der Bulgaren haben es geschafft, im letzten Jahr von ihrem Einkommen zu sparen, geht aus einer Umfrage des Forschungszentrums „Trend“ hervor. 39 Prozent haben normal gelebt, ohne zu sparen, 19 Prozent haben auf ihre Ersparnisse zurückgreifen müssen und 27 Prozent mussten Darlehen und Kredite aufnehmen. Der Umfrage zufolge ist die verschlechterte finanzielle Lage der Menschen in unserem Land auf drei Hauptgründe zurückzuführen: die gestiegenen Lebensmittelkosten, die steigenden Energiepreise und die Inflation.

Im ersten Quartal 2022 ist die Zahl der Bankeinlagen um mehr als 360.000 zurückgegangen und die Bürger schließen weiterhin massenhaft ihre kleineren Konten, zeigt die Studie einen weiteren Trend auf. Grund dafür ist die Verarmung der Bevölkerung ab 2020 als Folge der Gesundheits- und Wirtschaftskrise, so das Forschungszentrum. Eine Analyse der Konföderation der unabhängigen Gewerkschaften Bulgariens (KNSB) wiederum zeigt, dass zwei Drittel aller Bankkonten kleine Beträge von bis zu 2.500 Lewa enthalten. Wann kann es sich ein Erwerbstätiger überhaupt leisten zu sparen?

„Die Inflation lässt das verfügbare Einkommen vieler Menschen schrumpfen, vor allem jener, die am unteren Ende der Einkommensstruktur sind und das hindert sie am Sparen“, umreißt die aktuelle Lage Adrian Nikolow vom Institut für Marktwirtschaft. „Gleichzeitig wächst der Anteil der schnellen Kredite, auch  notleidender Kredite, was bedeutet, dass immer mehr Menschen ihre täglichen und wöchentlichen Ausgaben nicht mit ihrem Gehalt decken können.“

Wladimir Georgiew, Leiter einer Bankfiliale in Widin, einer Bezirksstadt in der wirtschaftlich schwachen nordwestlichen Region unseres Landes, zeichnet ein weniger beunruhigenderes Bild:

„Das was ich sehe, veranlasst mich zu der Meinung, dass der Trend weder positiv noch negativ ist. Einige der Menschen, die im Laufe der Jahre etwas Geld zur Seite gelegt haben, haben sich Immobilien gekauft. Ansonsten gibt es keine massenhaften Abhebungen oder Ausgaben von Geld, so dass sich die Bankeinlagen nicht verändern.“

Der Bankangestellte fügt hinzu, dass die Kunden es vorziehen, ihre Ersparnisse in Euro zu halten, da dieser voraussichtlich als offizielle Währung des Landes eingeführt wird. Da aber auch unser Beitritt zur Eurozone nicht von der üblichen Portion Verschwörungstheorien verschont bleibt, warnt der Wirtschaftswissenschaftler Adrian Nikolow vor einem bevorstehenden Phänomen:

„Die Eurozone könnte sich als ein Signal für Ausgaben erweisen, da eine Theorie kursiert, die nicht durch reale Fakten gestützt wird, dass unser Beitritt zu einer hohen Inflation, zu einem schnellen Preisanstieg führen wird. Das wird wahrscheinlich viele Menschen dazu veranlassen, ihre Bargeldersparnisse loszuwerden, da sie befürchten, dass diese sehr schnell an Wert verlieren werden - trotz der starken Erwartung, dass mit der Einführung des Euro die Preise so bleiben werden, wie sie in Lewa waren“, erläuterte Adrian Nikolow.

Zu Beginn des neuen Jahres stellen sich Bürger, Unternehmer und Politiker dieselbe Frage in Bezug auf den finanziellen Wohlstand: Bringt uns das Jahr 2023 mehr Stabilität und Wohlstand?

„Je mehr Europa seine Erdgas- und Erdölquellen diversifiziert, desto mehr wird es seine Sicherheit stärken“, prognostiziert Adrian Nikolow. „Darauf ist derzeit das große Augenmerk unserer Handelspartner gerichtet - Diversifizierung, Abbruch der Beziehungen zu Russland und Schaffung von Energiesicherheit. Eine zusätzliche Quelle wirtschaftlicher Unsicherheit in unserem Land sind die politische Instabilität und die unklaren Haushaltsparameter. Ansonsten sieht die Gesamtsituation eher optimistisch aus, aber wir müssen diese möglichen Stolpersteine im Auge behalten.“

Laut den Prognosen internationaler Finanzinstitute und der Bulgarischen Zentralbank BNB wird das laufende Jahr von einer niedrigeren Inflation, aber auch von einem Rückgang des BIP geprägt sein. Was erwartet uns: Ein Schluck Luft oder müssen wir die Gürtel enger  schnallen?

„Ich würde 2023 als ein Jahr der Stabilisierung, aber nicht des Überwachstums definieren“, antwortete der Wirtschaftswissenschaftler Rumen Galabinow. „Ich rechne eher mit einem bescheidenen BIP-Wachstum, hoffe aber auf eine Beruhigung der Inflation und einen leichten Anstieg der Preise. Für jeden von uns wäre es gut, in diesem Jahr über eine Erhöhung seiner Einnahmen nachzudenken, über Möglichkeiten für zusätzliches Einkommen, denn die Prozesse werden weitergehen. Wenn wir keine Pandemie haben und der Krieg in der Ukraine aufhört, kommen die meisten Dinge ins Gleichgewicht“, so Rumen Galabinow.

Autor: Diana Zankowa (auf der Grundlage von Interviews von Plamen Kozew und Jordanka Petrowa von BNR-Widin)

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: BGNES



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