Ein feuriger Männerreigen aus 20 Draufgängern drehte sich im eisigen Wasser des Michigansees und schwenkte die bulgarische Nationalflagge. Weitere dreihundert Bulgaren feuerten sie an und hüpften freudig am Ufer unter den Klängen der Trommel und Dudelsäcke. Der Grad der Stimmung hatte sie die Temperaturen etwas über Null und die Windböen vergessen lassen.
Kurz zuvor hatte Pater Gjuru Zonkow von der Kirche „Heilige Sophia“ in der Nähe von Chicago eine Liturgie zelebriert, die Anwesenden gesegnet und das Kreuz ins Wasser geworfen. Die größte Geschicklichkeit und Glück, das Kreuz aus dem Wasser zu holen, hatte der in Rasgrad geborene Iwo Kostow.
Die in Chicago lebenden Bulgaren folgten auch in diesem Jahr der Tradition zum Fest der Erscheinung Christi. Die komplizierte Organisation und diese beeindruckende Manifestation des bulgarischen Geistes 8000 Kilometer von der Heimat entfernt, ist dem 29-jährigen Delcho Stoew und seiner Freundin Sonia Petrowa zu verdanken.
Deltscho emigrierte mit seinen Eltern 2004, trägt die Heimat aber immer noch in seinem Herzen. Wie er auf die Idee kam, diese alte Tradition zum Erscheinungsfest in Chicago zum Leben zu erwecken, erzählt er selbst.
„Schon vor Jahren habe ich mich in Kardschali, wo ich geboren wurde, an der Tradition zum Erscheinungsfest am 6. Januar beteiligt und bin ins eisige Wasser gesprungen. Ich habe beobachtet, wie das Fest zelebriert wird und wollte die große bulgarische Gemeinschaft in Chicago zu einer Feier versammeln, um das Lächeln und die Freunde der Bulgaren zu sehen“, erzählt Deltscho, der sich 2015 der Organisation zunächst allein angenommen hatte.
„Es war überwältigend zu erleben, wie 360 Personen zusammenkamen. Ein Rekord in diesem Jahr war, wie viele Männer es gewagt haben, ins kalte Wasser zu springen. In diesem Jahr hat sich der Initiative auch der bulgarische Generalkonsul in Chicago Iwan Antschew angeschlossen, wofür ich sehr dankbar bin“, erzählte Delcho Stoew.
Er selbst ist ins eisige Wasser gesprungen, hat aber auch Dudelsack gespielt. Dafür hat er 3 Monate lang bei dem Dudelsackspieler Kiril Ketew Unterricht genommen. Über die Emotion, die bulgarische Flagge über den Michigansee zu hissen, sagt Deltscho, dass es ein großer Moment der Freude war.
„Das war auch das Ziel der Initiative, zu erleben, dass auch im Ausland die bulgarischen Traditionen gepflegt werden können. Die bulgarische Gemeinschaft ist nicht nur an Festtagen vereint, sondern auch im Alltag. Die Menschen versuchen, sich gegenseitig zu helfen. Die meisten von ihnen leben mit dem Gedanken, eines Tages nach Hause zurückzukehren. In einem fremden Land zu leben, ist nicht für jeden ein wahr gewordener Traum. Jede Lebensentscheidung hat ihren Preis. Das Leben der Bulgaren hier besteht aus einem 10-12stündigen Arbeitstag und wenig Zeit für die Familie. Das trifft insbesondere für die Fernfahrer zu, die wochenlang nicht zu Hause sind“, erzählt Deltscho und fügt hinzu, dass die meisten Bulgaren es vorziehen, in ihrer Freizeit die bulgarischen Kulturzentren, die bulgarischen Kaffees und Diskotheken zu besuchen, ihre Kinder zu den bulgarischen Sonntagsschulen zu bringen. 300 000 Bulgaren sollen laut Angaben des bulgarischen Außenministeriums in den USA leben, ein kleines Bulgarien.
Seit 2 Jahren versucht der bulgarische Staat durch verschiedene Initiativen die Bulgaren, die emigriert sind, wieder ins Land zu holen. Es gibt die Idee, die jungen Menschen, die diesen Schritt wagen, ein Jahr lang mit rund 600 Euro monatlich zu unterstützen. Ist das aber der richtige Weg, die Rückkehr „schmackhaft“ zu machen?
„Wenn die Rente 600 Euro wird, dann ja“, scherzt Deltscho und fügt ernst hinzu: „Ich glaube nicht, dass es helfen wird, die jungen Leute zur Rückkehr zu bewegen, insbesondere wenn sie Familie haben“, unterstreicht Deltscho, der überzeugt ist, dass das finanzielle Problem die Bulgaren in die Ferne vertreibt. „Ansonsten ist Bulgarien ein anziehendes Land, das absolut alles hat.“
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: bereitgestellt von Deltscho Stoew
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